In unserer Gesellschaft verlagert sich zunehmend das Alter der Frau bei der Geburt des ersten Kindes in die späteren Jahre ab Mitte dreißig. Die Gründe hierfür sind vielfältig, jedoch bilden längere Phasen von Ausbildung und Studium, sowie der Wunsch nach beruflicher Etablierung und finanzieller Absicherung die Hauptursache. Zudem geben rund 30 % der Bevölkerung an, eine abnehmende Fruchtbarkeit erst ab dem 40. Lebensjahr der Frau zu vermuten. Während dieser Phase wird die Familienplanung bei vielen Frauen zunächst ausgeschlossen und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Besteht dann der Kinderwunsch, ist dieser oftmals nicht mehr wie geplant erfüllbar, sondern die biologische Uhr für die weibliche Fortpflanzungsfähigkeit lässt nur noch eine kurze Zeitspanne übrig. Sie tickt, weil die Reserve an befruchtungsfähigen Eizellen zur Neige geht und weiterhin jeder einzelnen Eizelle bei ihrer Vorbereitung auf die Befruchtung zunehmend Fehler in der Verteilung des Erbmaterials unterlaufen können. Diese Fehler häufen sich zunächst ab dem 35. Lebensjahr, ab dem 38. Lebensjahr noch erheblicher, so dass folglich die Rate der Fehlgeburten steigt. Diese Fakten erzeugen nun schnellen Handlungsbedarf und Druck, dem sich viele Frauen heutzutage nicht aussetzen möchten.
Es entsteht der Gedanke an eine „Fertilitäts-Vorsorge“: Die Konservierung der befruchtungsfähigen Eizellen in der fortpflanzungsmedizinisch optimalen Lebensphase zwischen 20. und 35. Lebensjahr.
Eine solche Fertilitätsreserve ist durch die Möglichkeit des Social Freezing erreichbar. Als solches wird das Einfrieren unbefruchteter Eizellen aus sozialer Indikation bezeichnet. Da keine klassische medizinische Indikation vorliegt, erfolgt keine Kostenübernahme seitens der Krankenkassen. Die Leistungen im Rahmen der Kryokonservierung werden über die GOÄ abgerechnet.
Ziel
Die Eizellen werden in einem Laborverfahren unter Einsatz handelsüblicher Einfriermedien einer „Schockfrostung“ (=Vitrifikation) unterzogen und anschließend in flüssigem Stickstoff gelagert. Die Haltbarkeit ist theoretisch unbegrenzt, die Eizellen stehen zum gewünschten Zeitpunkt für ein Verfahren der assistierten Reproduktion zur Verfügung. Dabei handelt es sich um das Einbringen (intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)), eines einzelnen Spermiums in je eine aufgetaute Eizelle. Auf diese Weise befruchtete Eizellen können dann im Labor zum Embryo kultiviert und in die Gebärmutter eingesetzt werden. Eine Schwangerschaft entsteht zu durchschnittlich etwa 10 % pro behandelter Eizelle. Es ist daher ratsam, eine größere Gruppe an Zellen zu bevorraten. (> 15, optimal 20-30 Zellen). In der Regel sind mehr als 2 Behandlungszyklen notwendig da die Erfolgsrate dieser Behandlung mit der Zahl der Embryonen korreliert. Demnach wären rechnerisch 3 Therapiezyklen a 3 Embryonen erforderlich um eine max. Geburtenchance von ca. 65% zu ermöglichen.
Risiken
Mit zunehmendem Alter der Frau steigt das genetische Fehlbildungsrisiko der Eizelle. Die Überlebensrate der Eizellen nach Auftau beträgt 80-90 %. Nicht alle per ICSI behandelten Eizellen lassen sich auch befruchten; die Befruchtungsrate liegt durchschnittlich zwischen 60-70 %, die Implantationsrate pro aufgetauter Eizelle bei ca. 10 %, die Geburtenrate pro aufgetauter Eizelle bei ca. 8%.
Es kann somit seitens des durchführenden Zentrums keine Garantie auf das Eintreten einer Schwangerschaft gegeben werden. Die für das Social Freezing angelegte Fertilitäts-Vorsorge sollte quasi als Risikokapital verstanden werden.
Nawroth et al., Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen bei nichtmedizinischen Indikationen („social freezing“) Frauenarzt 53(6), 2012
Noyes et al., Over 900 oocyte cryopreservation as a fertility preservation measure for cancer patients. Reprod Biomed Online 23, 2011
Rienzi et al, Embryo development of fresh versus vitrified Metaphase II oocytes after ICSI: a prospective randomized sibling-oocyte study. Human Reprod 25, 2010
Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen bei nicht-medizinischen Indikationen (“Social Freezing”): Stellungnahme des Netzwerkes FertiPROTEKT vom 24.3.2012
Von Wolff, Michael, „Social Freezing“: Sinn oder Unsinn? Schweizerische Ärztezeitung 2013;94:10